Freitag, 17. Mai 2013

Einwasserung

Mit einem kleinen gemieteten Opel und viel Material fahre ich von Konstanz nach Heiliegenhafen. Weil es regnet, habe ich mit dem automatischen Scheibenwischer die grösste Mühe. Im Norden scheint die Sonne und so erblicke ich die Libertine dieses Jahr zum erstenmal bei freundlichem Licht.

Erstes Wiedersehen

Die Werft hat die Libertine unter das Büro verschoben und so freue ich mich über den erleichterten Treppenzugang zum Boot. Erste Sichtung: die Teilpersenning hat auch im Winter das Boot draussen bestens geschützt.

In den kommenden Tagen montiere ich mit Hilfe eines Werftprofis den Faltprop und den Bugvorbau. Dann demontiere ich die Bodenbretter und versiegle die seitlich gefrästen rohen Kanten mit Epoxi. Die gesamte Bibliothek verschiebe ich vom Salon in das frisch montierte Büchergestell in der Achterkoje. Jetzt hat die Libertine definitiv keine Backbord-Schlagseite mehr!


Bibliothek: eine Bereicherung für die Achterkoje!


Meine zukünftige Box bei schönstem Abendlicht (HDR-Aufnahme)

Belohnung für harte Arbeit: feinster Fisch in der Fisch-Hütte!


Einen Tag vor der Einwasserung erhält die Libertine die langersehnte Scheuerleiste. Durch die etwas filigrane Teakleiste erscheint das Boot definitv grösser. 

Am Freitag vor Pfingsten ist es soweit: Einwasserung! "Professorale Hilfe" kommt gerade rechtzeitig auf Besuch und hilft mir beim Maststellen. Phänomenal: ist am Rigg nur etwas geringfügig falsch herum montiert, sieht dies der Kranchef schon von Weitem!



Einwassern bei herrlichem Wetter

Am Pfingstmontag ist der richtige Wind für ein Testsegeln mit dem neuen Code-Zero. Eigentlich habe ich ein Nylonsegel bestellt, habe aber ein 3.0 oz Dacronsegel erhalten. Die gerollte Wurst ist daher etwas schwerer und auch sperriger. Leider hat Bartels viel Vorlieklänge mit Inoxmaterial verbaut und so ist das Vorliek etwas zu lange geraten und kann für den ersten Test nicht dichtgezogen werden.


Bugfender macht den Vorbau etwas wuchtig

simples Rollen mit der Endlosleine

Die Testdaten sind erfreulich: das 40 qm Leichtwindsegel alleine (ohne Gross) macht ganz schön Fahrt: 4.4 kn bei 5.5 kn wahrem Wind. Beste Höhe am scheinbaren Wind: 45 Grad und den effektiven Wendewinkel haben wir am Kompass ca. 120 Grad gemessen - bei noch nicht durchgesetztem Vorliek!


Echte Performance - kein Photoshop!

Weiteres Ergebnis: Holepunkt stimmt: Fäden richten sich unten, mittig und oben etwa gleichzeitig.


Dichter geht nicht!

Achterliek krallt: Jakobsleine muss noch gelöst werden; Vorliek zu lose


Farbharmonie zwischen Ostsee und Segel


Für Schweizer, welche die Wikinger-Wetterstation nicht kennen


Sonntag, 12. Mai 2013

After Sales Management (ASM) bei Hanse Yachten

Wahrscheinlich ist jetzt der falsche Zeitpunkt über After Sales Management (ASM) bei Hanse zu debattieren: Restrukturierungen, Standortschliessungen und kürzlicher Kapitalschnitt mit schlechtem Beigeschmack und weitere Probleme plagen zur Zeit die Werft.

Hanse-Segler sind aber auch Beteiligte dieser Werft als sogenannte „Stakeholder“ und sie äussern sich im Hanse-Forum nicht sehr erfreut über das ASM-Niveau. Darum beleuchte ich dieses Thema mal aus verschiedenen Perspektiven.

Eine gute Kundenbetreuung nach dem Verkauf ist wie eine Vorsorgeeinrichtung. Sie ist gewinnbringend für alle involvierten Parteien. Sie hilft in schlechten Zeiten als stabiles Umsatz-Standbein und sie generiert Wiederholungskäufer auch in angespannten Wirtschaftslagen. Aber: eine Vorsorge dieser Art kostet Geld und ist nur in guten Zeiten ausbaubar. Hier liegt vermutlich das Kernproblem bei Hanse-Yachten: die rasche Expansion der Werft hat nie ein hochstehendes ASM zugelassen.

Grundlagen 1: Interessensgruppen


Ich zähle vier Parteien, die divergierende Interessen während und nach dem Verkauf einer Hanse vertreten:
  • die Werft Hanse-Yacht AG resp. Aurelius 
  • nahestehende Zulieferer wie W&R, Wrede, North etc. 
  • Hanse-Verkaufspunkte 
  • Käufer resp. Kunden (kommen auch hier zuletzt) 
Solche Interessens-Gruppierungen nennen wir Stakeholder – nicht „Steakholder“! Natürlich gibt es noch weitere Stakeholder wie z.B. Aktionäre oder der Staat resp. der Fiskus. Auch Yachtversicherungen können Stakeholder sein.

Grundlagen 2: Verhaltensmuster der Interessensgruppen


Die unterschiedlichen Interessen von Parteien und Personen sind in verschiedenen Theorien und Modellen formuliert:
  • Prinzipal-Agent Theorie 
  • Incentives 
  • Käufer-Segmentierung 
  • Customer Relationship Management usw.
Ich erläutere diese Modelle nicht detailliert, sie können zB. in Wikipedia nachgelesen werden. All diese Theorien setzen ökonomisch eigennütziges Verhalten voraus resp. sie würden bei sozialem "Gutbürger"-Verhalten versagen. Hand auf's Herz: wer ist nach dem Verkauf einer Yacht ein echter  "Gutbürger"?

Die Interessen der Hanse Yacht AG resp. der Aurelius AG


In guten Zeiten hat ein Unternehmen wie Hanse die Möglichkeit das ASM vom Kosten-Stiefkind zu einen lukrativen Ertragspfeiler zu wandeln. Aufgrund von Foren-Aussagen erfahrener Hanse-Eigner muss ich davon ausgehen, dass diese Chance nie genutzt und vielleicht auch nie gesehen wurde. Jetzt ist die Chance vorübergehend vom Tisch und andere Prioritäten stehen im Vordergrund, wie eingangs erwähnt.

Interessant ist, dass die HanseGroup als Unternehmensziel „bester After Sales Service“ nennt. Betrachtet man im Internet die Bilder des Vorstandes mit verschränkten Armen (=abwehrende Körpersprache), dann haben sie wohl während des Shootings über den aktuellen After Sales Services geprochen! Das für ASM zuständige Vorstandsmitglied war vor Hanse bei uns im Süden als COO tätig: bezüglich Kundenzufriedenheit steht das besagte Unternehmen an letzter Stelle: http://www.comparis.ch/telecom/mobile/umfrage/hitlist.aspx

Jetzt aber ernsthaft: hat eine Investmentgesellschaft wie Aurelius zur Zeit das Interesse ein solides ASM bei Hanse aufzubauen? - bei der jetzigen Finanzlage von Hanse? Aurelius interessiert sich nur für eines: Wertsteigerung ihrer Unternehmen. Diese Wertsteigerung kann sie auf verschiedene Arten erreichen, aber bei keiner Turnaround-Methode hat das ASM die erste Priorität.

Wie gross die aktuelle Diskrepanz in der Wertsteigerung ist, zeigen die Aktienkurse:

Kontrast: Aktienkurs Aurelius der letzte 3 Jahre...

...und Aktienkurs der Hanse Yachts AG im gleichen Zeitraum

Frage: wie lange schaut die Aurelius bei diesem gegenläufigen Trend zu?

Jedenfalls ist die Hanse-Werft in bester Gesellschaft mit anderen Werften, welche die Wirtschaftsflaute genauso zu spüren bekommen. Da die wenigen Grosswerften in Europa ein Oligopol bilden, sind Preisabsprachen und Preiserhöhungen vorprogrammiert. Wenn ich die Preisentwicklung seit Herbst 2012 bei den Einsteigeryachten anschaue, dann haben diese sogar schon teilweise stattgefunden. 

Ich schliesse nicht aus, dass eine Hanse 325 oder eine Bavaria 32C bis vor kurzer Zeit mit Verlust produziert wurden. Wer hat noch Lust einen After Sales Service zu bieten, wenn die Yacht schon mit Verlust aus der Werfthalle gekommen ist?

Die Interessen der Zulieferer


So lange die Werft gut funktioniert, haben die Zulieferer ein interessantes Umfeld: die Werft lagert Arbeiten aus, die Verkaufspunkte beauftragen die Zulieferer mit nachträglichen Kundenwünschen während der Yacht-Übergabe (gegen Kommission) und die Zulieferer verkaufen direkt an Kunden mit einem netten Abschlag. Hier funktioniert der Service gut: man bekommt was man bestellt und bezahlt. - nicht ganz: als ich die exotische Teilpersenning bei W&R und beim Verkäufer in Auftrag geben wollte, hat niemand reagiert - auch bei nachhaken nicht.

Wenn die Werft in Schwierigkeiten gerät, dann trifft dies die Zulieferer erst recht und ein ASM von dieser Seite wird sicher nicht besser.

Die Interessen der Verkaufspunkte


Die Verkaufspunkte sind die wahren "Agents" beim ASM - müssen sie auch sein, da die Verkaufsmargen bei den kleineren Yachten nicht hoch sind und kein stabiles Einkommen garantieren. Ein Verkäufer der nicht versteht, wie er sich zwischen den Fronten bewegen kann, der geht unter.

Wird von der Werft kein knallhartes ASM-Konzept diktiert, macht jeder Verkaufspunkt was er will. Ein potentieller Käufer geht ins Hanse-Forum und schaut nach, wo am ehesten kundenfreundlich verkauft und unterhalten wird. Wenn die Differenzen zwischen den Verkäufern gross werden, schlägt sich dies im Forum garantiert nieder.

Die Interessen der Hanse-Käufer


Neue Hanse-Besitzer sind zuerst einmal nervös, weil sie anfänglich nicht wissen, wo allfällige Mängel versteckt sind. Dabei haben lange nicht alle Käufer Grund um nervös zu sein. Je nachdem in welchem Quadranten der untenstehenden Grafik sie sich befinden, dürfen sie mit einem zufriedenstellenden ASM und respektvoller  Mängelbehebung rechnen.


Natürlich kann jeder ältere Hanse-Käufer die rote Falle zu umgehen, in dem er immer betont, dass ihm das neue Schiff jetzt schon zu klein sei. Manchmal glaubt ihm der Verkäufer sogar!

Und ich? - ich war auch nervös, weil ich im roten Quadrant steckte. Andererseits hat die über50-Käuferklasse den Vorteil, dass sie noch gelernt hat selbst Hand anzulegen. Mit diesen Perspektiven und geringen Erwartungen bin ich per Internet an den Kauf herangegangen (siehe Posts in 2011) und ich war nie richtig unglücklich dabei.