Wahrscheinlich ist jetzt der falsche Zeitpunkt über After Sales Management (ASM) bei Hanse zu debattieren: Restrukturierungen, Standortschliessungen und kürzlicher Kapitalschnitt mit schlechtem Beigeschmack und weitere Probleme plagen zur Zeit die Werft.
Hanse-Segler sind aber auch Beteiligte dieser Werft als sogenannte „Stakeholder“ und sie äussern sich im Hanse-Forum nicht sehr erfreut über das ASM-Niveau. Darum beleuchte ich dieses Thema mal aus verschiedenen Perspektiven.
Eine gute Kundenbetreuung nach dem Verkauf ist wie eine Vorsorgeeinrichtung. Sie ist gewinnbringend für alle involvierten Parteien. Sie hilft in schlechten Zeiten als stabiles Umsatz-Standbein und sie generiert Wiederholungskäufer auch in angespannten Wirtschaftslagen. Aber: eine Vorsorge dieser Art kostet Geld und ist nur in guten Zeiten ausbaubar. Hier liegt vermutlich das Kernproblem bei Hanse-Yachten: die rasche Expansion der Werft hat nie ein hochstehendes ASM zugelassen.
Grundlagen 1: Interessensgruppen
Ich zähle vier Parteien, die divergierende Interessen während und nach dem Verkauf einer Hanse vertreten:
- die Werft Hanse-Yacht AG resp. Aurelius
- nahestehende Zulieferer wie W&R, Wrede, North etc.
- Hanse-Verkaufspunkte
- Käufer resp. Kunden (kommen auch hier zuletzt)
Solche Interessens-Gruppierungen nennen wir Stakeholder – nicht „Steakholder“! Natürlich gibt es noch weitere Stakeholder wie z.B. Aktionäre oder der Staat resp. der Fiskus. Auch Yachtversicherungen können Stakeholder sein.
Grundlagen 2: Verhaltensmuster der Interessensgruppen
Die unterschiedlichen Interessen von Parteien und Personen sind in verschiedenen Theorien und Modellen formuliert:
- Prinzipal-Agent Theorie
- Incentives
- Käufer-Segmentierung
- Customer Relationship Management usw.
Ich erläutere diese Modelle nicht detailliert, sie können zB. in Wikipedia nachgelesen werden. All diese Theorien setzen ökonomisch eigennütziges Verhalten voraus resp. sie würden bei sozialem "Gutbürger"-Verhalten versagen. Hand auf's Herz: wer ist nach dem Verkauf einer Yacht ein echter "Gutbürger"?
Die Interessen der Hanse Yacht AG resp.
der Aurelius AG
In guten Zeiten hat ein Unternehmen wie Hanse die
Möglichkeit das ASM vom Kosten-Stiefkind zu einen lukrativen
Ertragspfeiler zu wandeln. Aufgrund von Foren-Aussagen erfahrener
Hanse-Eigner muss ich davon ausgehen, dass diese Chance nie genutzt
und vielleicht auch nie gesehen wurde. Jetzt ist die Chance
vorübergehend vom Tisch und andere Prioritäten stehen im
Vordergrund, wie eingangs erwähnt.
Interessant ist, dass die HanseGroup
als Unternehmensziel „bester After Sales Service“ nennt.
Betrachtet man im Internet die Bilder des Vorstandes mit verschränkten Armen (=abwehrende Körpersprache), dann haben sie wohl während des
Shootings über den aktuellen After Sales Services geprochen! Das für
ASM zuständige Vorstandsmitglied war vor Hanse bei uns im Süden als
COO tätig: bezüglich Kundenzufriedenheit steht das besagte
Unternehmen an letzter Stelle:
http://www.comparis.ch/telecom/mobile/umfrage/hitlist.aspx
Jetzt aber ernsthaft: hat eine
Investmentgesellschaft wie Aurelius zur Zeit das Interesse ein
solides ASM bei Hanse aufzubauen? - bei der jetzigen Finanzlage von
Hanse? Aurelius interessiert sich nur für eines:
Wertsteigerung ihrer Unternehmen. Diese Wertsteigerung kann sie auf
verschiedene Arten erreichen, aber bei keiner Turnaround-Methode hat das ASM die erste Priorität.
Wie gross die aktuelle Diskrepanz in der Wertsteigerung ist, zeigen die Aktienkurse:
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Kontrast: Aktienkurs Aurelius der letzte 3 Jahre... |
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...und Aktienkurs der Hanse Yachts AG im gleichen Zeitraum |
Frage: wie lange schaut die Aurelius bei diesem gegenläufigen Trend zu?
Jedenfalls ist die Hanse-Werft in bester Gesellschaft mit anderen Werften, welche die Wirtschaftsflaute genauso zu spüren bekommen. Da die wenigen Grosswerften in Europa ein Oligopol bilden, sind Preisabsprachen und Preiserhöhungen vorprogrammiert. Wenn ich die Preisentwicklung seit Herbst 2012 bei den Einsteigeryachten anschaue, dann haben diese sogar schon teilweise stattgefunden.
Ich schliesse nicht aus, dass eine Hanse 325 oder eine Bavaria 32C bis vor kurzer Zeit mit Verlust produziert wurden. Wer hat noch Lust einen After Sales Service zu bieten, wenn die Yacht schon mit Verlust aus der Werfthalle gekommen ist?
Die Interessen der Zulieferer
So lange die Werft gut funktioniert,
haben die Zulieferer ein interessantes Umfeld: die Werft lagert
Arbeiten aus, die Verkaufspunkte beauftragen die Zulieferer mit
nachträglichen Kundenwünschen während der Yacht-Übergabe (gegen
Kommission) und die Zulieferer verkaufen direkt an Kunden mit einem
netten Abschlag. Hier funktioniert der Service gut: man bekommt was man bestellt und bezahlt. - nicht ganz: als ich die exotische Teilpersenning bei W&R und beim Verkäufer in Auftrag geben wollte, hat niemand reagiert - auch bei nachhaken nicht.
Wenn die Werft in Schwierigkeiten gerät, dann trifft dies die Zulieferer erst recht und ein ASM von dieser Seite wird sicher nicht besser.
Die Interessen der Verkaufspunkte
Die Verkaufspunkte sind die wahren "Agents" beim ASM - müssen sie auch sein, da die Verkaufsmargen bei den kleineren Yachten nicht hoch sind und kein stabiles Einkommen garantieren. Ein Verkäufer der nicht versteht, wie er sich zwischen den Fronten bewegen kann, der geht unter.
Wird von der Werft kein knallhartes ASM-Konzept diktiert, macht jeder Verkaufspunkt was er will. Ein potentieller Käufer geht ins Hanse-Forum und schaut nach, wo am ehesten kundenfreundlich verkauft und unterhalten wird. Wenn die Differenzen zwischen den Verkäufern gross werden, schlägt sich dies im Forum garantiert nieder.
Die Interessen der Hanse-Käufer
Neue Hanse-Besitzer sind zuerst einmal nervös, weil sie anfänglich nicht wissen, wo allfällige Mängel versteckt sind. Dabei haben lange nicht alle Käufer Grund um nervös zu sein. Je nachdem in welchem Quadranten der untenstehenden Grafik sie sich befinden, dürfen sie mit einem zufriedenstellenden ASM und respektvoller Mängelbehebung rechnen.
Natürlich kann jeder ältere Hanse-Käufer die rote Falle zu umgehen, in dem er immer betont, dass ihm das neue Schiff jetzt schon zu klein sei. Manchmal glaubt ihm der Verkäufer sogar!
Und ich? - ich war auch nervös, weil ich im roten Quadrant steckte. Andererseits hat die über50-Käuferklasse den Vorteil, dass sie noch gelernt hat selbst Hand anzulegen. Mit diesen Perspektiven und geringen Erwartungen bin ich per Internet an den Kauf herangegangen (siehe Posts in 2011) und ich war nie richtig unglücklich dabei.